Die Lesung
Für den hl. Benedikt ist die Hl. Schrift bzw. das Evangelium die eigentliche Regel und Richtschnur für das klösterliche Leben – „Gehen wir unter der Führung des Evangeliums seine Wege, damit wir ihn schauen dürfen, der uns in sein Reich gerufen hat.“ (RBp. 20). Deshalb reserviert er im Tageslauf feste Zeiten für das Lesen und Meditieren der Hl. Schrift.
Benedikts Hochschätzung der Hl. Schrift und seine Vertrautheit mit den biblischen Texten belegen nicht nur die zahlreichen Schriftzitate innerhalb des Regeltextes, sondern auch seine vielfältigen Anspielungen auf biblische Bilder bzw. Texte als Botschaft zwischen den Zeilen. Mit der gesamten Alten Kirche teilt er die Überzeugung, die der hl. Kirchenvater Hieronymus (347-420) prägnant ins Wort fasste: „Die Hl. Schrift nicht kennen, heißt, Christus nicht kennen“. Denn die Hl. Schrift in ihrer Gesamtheit von Altem und Neuem Testament zeugt von Christus und lässt uns ihn und seine Botschaft in den Texten vernehmen.
Beim Lesen der Hl. Schrift geht es darum nicht nur um ein verstandesmäßiges Erfassen des Textes, sondern um ein hörendes, betrachtendes und betendes Zugehen und Eindringen in den Text, um darin die Stimme Christi und seine Botschaft an uns zu vernehmen. Das frühe Mönchtum praktizierte gemäß der biblischen Aufforderung „Betet ohne Unterlass!“ vielfach die Methode der Ruminatio (des „Wiederkäuens“) von Texten, d.h. des Aneignens einzelner Verse durch beständige Wiederholung, bis die Worte gleich einer Speise in Fleisch und Blut übergehen. Diese Form der Wiederholung liegt auch dem in der Ostkirche häufig geübten Jesus-Gebet zugrunde.
Auch das tägliche Psalmengebet mit seinen Wiederholungen dient diesem tieferen Eindringen in die Hl. Schrift.