…über seine Klostergründungen
Hl. Benedikt, die Orte deiner Wirkungsgeschichte sind für viele Menschen, besonders aber auch für uns Benediktiner:innen zu Orten der Erinnerung und der Erfahrung geworden, über viele Jahrhunderte hin, bis zum heutigen Tag. Freut es dich, dass viele Menschen zu diesen Orten kommen, um deine Spiritualität kennenzulernen?
Dass es die Menschen zu diesen Orten nach wie vor hinzieht und sie nach der Begegnung mit Gott suchen, lässt hoffen, dass auch kommende Generationen, sich vom Geist des Christentums für ihr Leben inspirieren lassen. Orte, die eine verdichtete Spiritualität aufweisen, also durchbetete Stätten vieler Jahrhunderte, sind sozusagen Kraftwerke Gottes und da ist es oft leichter, zu Gott zu finden, als sonst wo. Dabei ist es vielleicht nicht so bedeutsam, dass ich, genau an diesem Ort gelebt habe, als dass Menschen sich hier im Geiste Jesu immer wieder versammelt haben.
Könnte man sagen, dass sich hier Immaterielles im Materiellen manifestiert hat und dass diese Kraft spürbar wird für sensible Menschen?
Durchaus. Immaterielles ist für den Menschen schwer zu fassen. Damit der Mensch nicht abstumpft, und sich allein mit Materiellem begnügt, kann ein solcher Ort für einen suchenden Menschen, zu einem Ort der Begegnung mit Gott und mit sich selbst werden. Das „Höre“ ist Voraussetzung dafür, denke ich.
Du bist ein Stern, der Orientierung gibt, und dies gerade auch in Umbruchszeiten. In Sacro Speco, der Höhle, in der du dich zurückgezogen hast, brennt heute ein Licht für den Frieden. Dieser Friede ist ständig gefährdet, wie du es auch in der Regel verankert hast. Der Friede des Herzens, der Friede in der Gemeinschaft und der Friede in der ganzen Welt. Welchen Rat gibst du uns, wie können wir den Frieden finden?
Der Weg zum Frieden ist zuerst die beständige Suche nach Gott. „Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht?“ fragt der Psalmist im 33. Psalm und du kannst es auch im Prolog meiner Regel lesen: „Meide das Böse und tu das Gute, suche den Frieden und jage ihm nach!“ (vgl. RBp 15-17) Weil der Friede im Herzen und in der Gemeinschaft immer gefährdet ist – auch „durch die Einflüsterungen des Teufels“ (vgl. RBp 28) habe ich angeordnet, dass das „Gebet des Herrn beim Morgen- und Abendlob laut gebetet werden soll, denn dadurch, dass die Schwestern und Brüder die Bitte aussprechen: Vergib uns, wie auch wir vergeben“ (vgl. RB 13,12-13), verpflichten sie sich zur Umkehr. Wegen der „Dornen, das heißt wegen der Streitigkeiten, die leicht entstehen,“ (vgl. RB 13,12) habe ich diese Weisung gegeben. Im Wesentlichen ist der Weg der Gottsuche ein Weg des Friedens, ein Weg zum ewigen Leben. Jeder Mensch guten Willens, kann diesen Weg finden und mit der Hilfe Gottes beschreiten, wie ihn uns auch das Evangelium, insbesondere die Bergpredigt, weist.
Als ich in Subiaco war, habe ich daran gedacht, dass du diesen besonderen Ort, um der Brüder willen auch wieder verlassen hast, nach dem der Feind, einen Priester, in extreme Eifersucht auf dein Wirken versetzte, was dich zum Aufbruch nach Montecassino bewegte. War das nicht schwer, von diesem Ort wegzugehen und dein begonnenes Werk anderen zu überlassen? Meine Erfahrung ist, das Loslassen oft sehr schwierig ist für uns Menschen und uns in Krisen stürzt?
Auch für mich bedeutete dies eine erneute Krise, ähnlich wie in Vicovaro. Der Herr ließ mich im inständigen Gebet erkennen, dass es besser ist, gemäß seinem Wort: „Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand“ (Mt. 5,39) Die Krise ist so für mich und die Gemeinschaft zu einem neuen Anfang geworden.In jedes Menschen Leben gibt es immer wieder Krisen zu bestehen. Wenn der Mensch dies bejaht, wird sein Herz geläutert und frei von Abhängigkeiten, also immer mehr frei von sich selbst und offen für Gott und seine Weisungen.
Diese Anfeindung hätte dich nicht nur in eine Krise, sondern auch in tiefe Depression stürzen können. Wie ist es dir gelungen, diese Prüfung zu bestehen?
Wie schon gesagt, einzig im Gebet fand ich eine Antwort und den Ruf, wie Abraham neu aufzubrechen und anderen die Leitung der Klöster in Subiaco zu übergeben. „In der Freude des Heiligen Geistes Gott etwas als Opfer darbringen.“ (vgl. RB 49,6) Diese Weisung aus meiner Regel für die Fastenzeit, habe ich selbst in die Tat umgesetzt. „In Freude und Sehnsucht des Geistes harre der Mönch dem Osterfest entgegen.“ (vgl.RB 49,7) In der Freude des Geistes, die Gott schenkt, weicht die Depression, dem Vertrauen, dass der Herr aus allem etwas Gutes machen kann, das ist die Erfahrung von Ostern. Es ist ein inneres Ringen darum, sich nicht der – durchaus berechtigten -Traurigkeit, hinzugeben.
Die Höhle von Sacro Speco ist heute inmitten eines mehrstöckigen Kirchenbaus. In verschiedensten Epochen wurde daran gebaut und die Kapellen mit Fresken in unterschiedlichstem Stil ausgestaltet. Es finden sich Szenen aus dem Leben Jesu und der Apostel, und Szenen aus der Vita, dem 2. Buch der Dialoge. Für mich ist dieser Bau beeindruckend, auch dadurch, dass es Ausdruck benediktinischen Lebens verschiedenster Jahrhunderte ist und deinen anfänglichen Rückzugsort nach wie vor zum Leuchten bringt. Würdest du dich dort auch heute noch niederlassen?
Ja, ich denke schon. Dieser Ort ist zu einem Ort des Gebetes geworden und er ist dies bis heute. Stille und Einsamkeit, die ein „Wohnen in sich selbst“ (vgl. Dial. 2,3,5) ermöglichen, so wie ich es für viele Jahre an diesem Ort erlebte, kann der Gottsucher auch heute noch finden, auch wenn während des Tages viele Besucher diesen Ort aufsuchen.
Subiaco und Montecassino gehören für uns Benediktiner:innen zum kollektiven Gedächtnis und so war es für mich sehr bedeutsam, an diesen Orten, unsrem gemeinsamen Erbe und Auftrag nachzuspüren: Wenn ich dich um eine kurze Antwort auf die Frage „Was macht uns Benediktiner:innen aus“ bitten würde – wie würdest du antworten?
Das gemeinsame Hören auf Gottes Wort in der täglich vollzogenen Liturgie, prägt und trägt das Leben der Benediktiner:innen weltweit. Die Klöster in Subiaco und auf dem Montecassino sind so verschieden, und lassen somit erkennen, dass es nicht auf das Äußere ankommt. Einheit in der Vielfalt der Klöster ist möglich. Es gibt eine innere Einheit des Lobpreises und der Verherrlichung Gottes, die alle benediktinisch geprägten Klöster auszeichnet. Die Klöster kommen verschiedenen Aufgaben und Arbeiten nach, wie es der Lage und den Bedürfnissen, des jeweiligen Klosters, entspricht. Überall und an jedem Ort sollen die Benediktiner:innen Gott verherrlichen und an Gottes Schöpfungsauftrag mitwirken. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Friedensarbeit, von der wir schon gesprochen haben.
Das Wort „Pax“ findet sich in allen Benediktinerklöstern. So war es auffällig, dass gerade diese Inschrift vom zerbombten Kloster auf dem Montecassino erhalten blieb und heute den Besucher begrüßt. War das jetzt einfach nur ein Zufall, oder doch mehr ein Auftrag Gottes?
Das Wort „Pax“ ist zuerst der österliche Gruß des auferstandenen Herrn, und es ist der Auftrag Jesu an die Jünger, Friedensbringer und Friedensstifter zu sein. Unter der Führung des Evangeliums soll jeder Mönch auch diesem Auftrag folgen. Dass Papst Paul VI., mich zum Patron Europas erklärte, hat damit zu tun, auch um Europa vor einem weiteren Desaster ähnlich den zwei Weltkriegen, künftig zu bewahren. Meine Aufgabe als Apostel des Friedens und als Fürsprecher für die Völker Europas einzustehen, erfülle ich, soweit als ich darum gebeten werde – es liegt bei euch!
Die Klöster unterscheiden sich rein äußerlich durch die jeweils besondere Lage: Montecassino gebaut auf einem hohen Berg und von weithin sichtbar. Subiaco liegt in einem engen Tal und am Felsvorsprung und wirkt wie ein Vogelnest. Wieso hast du dich bei Montecassino für diesen Berg entschieden?
In Subiaco suchte ich die Verborgenheit, also ein von den Menschen entferntes und stilles Dasein, ganz Gott hingegeben. Montecassino war ein neuer Impuls Gottes für mich, ein Dasein für Gott im Dienst an den Menschen, die Gott schickte. Weitum sichtbar sollte das Kloster sein und wie eine Festung, eine Burg, zur Verherrlichung des Herrn; oder auch wie ein Leuchtturm am Meeresstrand für die Rettung von Menschen in Seenot.
Auf dem Berg war zuvor ein Apolloheiligtum, welches du in ein „Oratorium zu Ehren des heiligen Johannes“ (vgl. Dial. 2,8,11) umwidmetest. Die Christianisierung dieser Stätte rief wieder den Feind herbei, weshalb der Bau des Klosters und der Aufbau der Gemeinschaft, nicht ohne Schwierigkeiten verlief. Hast du bei all diesen Schwierigkeiten nicht auch mal den Mut verloren?
Immer wieder ging es mir darum, die Brüder zu ermutigen und zu stärken, wie es die Aufgabe eines geistlichen Vaters ist. Es geht um den Mut und die Bereitschaft, den Anvertrauten zu dienen, und im Gebet fand ich immer wieder die Kraft dazu.
Bei meinem Besuch auf Montecassino war ich auch in deiner Zelle. Hier wurde dir offenbart, dass Montecassino wieder zerstört werden wird. (vgl. Dial. 2,17,1-2) Es ist gleich viermal fast völlig zerstört worden. Erstmals schon bald nach deinem Tod durch die Langobarden, ein zweites Mal im 9. Jahrhundert durch die Sarazenen, ein weiteres Mal durch ein Erdbeben im Jahr 1369 und zuletzt im 2. Weltkrieg durch die Alliierten. Das alles lässt mich an das Buch Ijob denken. Ijob, der Gerechte und Rechtschaffene, der durch den Argwohn des Feindes alles verlor und dennoch Gott treu blieb. Wie konntest du dieser düsteren Aussicht auf die Zukunft ohne Resignation begegnen?
Damals erfasste mich wirklich große Trauer und ich vergoss viele Tränen deswegen, doch die Zusicherung des Herrn, dass das Leben der Brüder gesichert sei und keiner den Tod erleiden würde, gab mir Hoffnung. Auch mein geistlicher Freund und Vertrauter, Theoprobus, hat mit mir dies Leid getragen. (vgl. Dial. 2,17,1-2)
Im Blick auf die oftmalige Zerstörung und des Wiederaufbaues, sprechen wir von „succisa virescit“ „abgehauen grünt er neu“ und dies ist auch der Wappenspruch von Montecassino. Dieses Bildwort verweist auf die Prophetie des Jesaja (Jes. 11,1 f): „Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht.“ War deine Situation nicht eine ähnliche, wie die des Jesaja?
Ja, es hat diese düstere Situation, in der sich Jesaja und mit ihm Jerusalem befindet, mehrmals auch Montecassino heimgesucht: Juda wurde von den Assyrern geplündert und zerstört – ähnlich wie Montecassino von den Langobarden, den Sarazenen, durch ein Erdbeben und ein sinnloses Bombardement im 2. Welkkrieg! In dieser aussichtslosen Lage vergleicht Jesaja, Juda mit einem abgeschnittenen Baum, von dem nur noch ein kläglicher Rest übriggeblieben ist. In seinem Trostwort verheißt er: Das Ende ist noch lange nicht gekommen, aus einer Wurzel wird ein Trieb sprießen. So ist es auch mit Montecassino geschehen: succisa virescit!
Heiliger Benedikt, innigen Dank für deine Gesprächsbereitschaft. Vielleicht können wir unsren Dialog bei einem neuen Thema fortsetzen… wenn du einverstanden bist?
Ja gerne, wenn dir wieder Fragen einfallen, dann bis zum nächsten Mal.